Aus dem Stadtrat vom 27.1.: Einweihung der Gedenktafel für Stadtverordnete
Ich möchte beginnen mit einem Zitat von Noach Flug, Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz und ehemaliger Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees:
Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Gesichter vor Augen, und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluß für bearbeitet oder für beendet zu erklären.“
Erinnerung das ist das Stichwort des heutigen Tages. Denn heute geht es darum, sich an
unsere Vorgängerinnen und Vorgänger zu erinnern. Wir gedenken derer, die sich in demokratischen Institutionen engagiert haben wie auch meine Kolleginnen und Kollegen es heute tun nur hatten sie es damals ungleich schwerer. Wir können heute aus der Geschichte unseres Landes und unserer Stadt schöpfen, aus dem Engagement ehemaliger Stadträtinnen und Stadträte lernen.
Wir ehren heute:
Kurt Fischer, 1897 in Furth bei Chemnitz geboren, erlernte er den Beruf eines Formers, arbeitete dann als Bauarbeiter. Er lebte einige Jahre in Essen und Düsseldorf, kam 1919 wieder nach Chemnitz zurück. Er wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates und war Mitbegründer der KPD in Chemnitz. Am 10. September 1931 zog Kurt Fischer als Abgeordneter der kommunistischen Fraktion in das Chemnitzer Stadtparlament ein, dem er bis zu seiner Auflösung 1933 angehörte. Wie überliefert ist, war er unbequem und nicht zimperlich bei der Wahl seiner Worte. Das brachte ihm zahlreiche Zurechtweisungen, Verweise und strafrechtliche Androhungen durch den Stadtverordnetenvorsteher ein. Er tat dies aus seinem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit heraus. Nach der Machtübernahme der Faschisten wollte er in der Illegalität weiterkämpfen. Er wurde 1933 verhaftet und nach Chemnitz ins Polizeigefängnis überführt. Nach seiner Entlassung 1935 wurde er nach illegaler Leitung einer KPD-Gruppe in Chemnitz erneut inhaftiert und wegen Meineid – er hatte seine Genossinnen und Genossen nicht verraten wollen – zu 1 ½ Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde entlassen und dann wieder verhaftet, kam nach Buchenwald und verstarb 1941 nach einer Magenoperation, da sein Körper offensichtlich durch die schweren Misshandlungen zu geschwächt war.
Weiterhin ehren wir:
Erich Schmidt, 1891 in Döbeln geboren, kam er auf der Suche nach Arbeit 1911 nach Chemnitz. Er war Mitglied des Betriebsrates der Maschinenfabrik Kappel, wurde 1932 nach der Teilnahme an Demonstrationen und Streiks entlassen. 1927 bis 1929 vertrat er die KPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung. Mit seinem Schwiegervater, Arthur Strobel, der ebenfalls Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, allerdings in der SPD-Fraktion, war, lieferte er sich – so ist es überliefert – in den Sitzungen oftmals Auseinandersetzungen ohne Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen Verhältnisse. 1933 wurde Erich Schmidt verhaftet und verhört, danach kam er ins Polizeigefängnis in der Langen Straße und anschließend in das KZ Sachsenburg. Im Dezember 1933 wurde er entlassen und auch er setzte seinen Kampf gegen den Faschismus in der Illegalität fort. Im August 1944 wurde er erneut verhaftet, ebenso sein Schwiegervater Arthur Strobel, und kam ins KZ Sachsenhausen. Im April 1945 wurde er in das KZ Flossenbürg überführt, wo er am 20. April den berüchtigten Hungermarsch nach Dachau antrat und nicht überlebte.
Dies waren nur zwei Beispiele. Zwei Leben. Zwei Schicksale. Zwei Opfer des Nationalsozialismus!
Weiterhin ehren wir:
Albert Hähnel, Stadtrat von 1930 bis 1933
Fritz Johannes Matschke, Stadtrat 1933
Hans Sager, Stadtrat 1930
und Max Saupe, Stadtrat von 1924 bis 1926 sowie von 1927 bis 1933
Die Erinnerung an diese Menschen und die weiteren heute Geehrten ist seit vielen Jahren verblasst. Lassen Sie uns heute dieser Stadträte gedenken und ihre Erinnerung wiederbeleben. So ambivalent, wie vielleicht der eine oder andere Teil einer Biografie der heute Geehrten sein könnte, haben sie es verdient, dass Stadträtinnen und Stadträte, aber auch Besucherinnen und Besucher des Rathauses beim Begehen daran erinnert werden, welch furchtbares Schicksal unsere Vorgänger ereilt hat. Millionen Menschenleben kosteten die Verbrechen des Nationalsozialismus und unter ihnen waren nicht wenige Politikerinnen und Politiker.
Unsere Verantwortung heute liegt darin, uns mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschickte aktiv auseinanderzusetzen und all derer zu gedenken, die im Kampf für Demokratie, Freiheit und Frieden ihr Leben ließen! Wider dem Vergessen!