Aus dem Stadtrat vom 15.7.: Petition Soforthilfe für Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft
Das Petitionsanliegen, den Chemnitzer Akteurinnen und Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft wirtschaftliche Soforthilfe zur Eindämmung der Auswirkungen der Corona-Pandemie zu gewähren, ist natürlich berechtigt. Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen. Zum Wirtschaftsfeld der Kultur- und Kreativwirtschaft gehören als Kernbranchen etwa die Musikwirtschaft, der Buchmarkt, der Kunstmarkt, der Bereich der darstellenden Künste, die Designwirtschaft aber auch der Architekturmarkt oder die Software-Games-Industrie.
Stellt man das in Rechnung, liegt es auf der Hand, dass die dort tätigen Akteurinnen und Akteure in der gesamten Bundesrepublik und eben auch hier in Chemnitz von der Corona-Pandemie und den Bemühungen ihrer Eindämmungen besonders getroffen waren und es in erheblichen Teilen noch sind.
Es ist auch unbestreitbar, dass es namentlich die zahlreichen Kleinstunternehmen, Selbständigen und Freiberufler aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft waren, die bislang bei den von Bund, Land und auch von uns als Stadtrat betroffenen Maßnahmen zur wirtschaftlichen und sozialen Unterstützung wenn schon nicht durch den Rost gefallen, dann jedenfalls aber stiefmütterlich behandelt worden sind; mal einzelne Zielgruppen ausgenommen. Auch die mit dem im Zuge des sächsischen Coronabewältigungsfondgesetzes im Juni durch den Freistaat beschlossenen umfänglichen Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen für den Kunst- und Kulturbereich betreffen den Großteil der Kreativen eher nicht, jedenfalls nicht unmittelbar. Wir hätten uns beispielsweise gewünscht, dass ein Teil der 28,5 Millionen EUR, die für freie Träger im Bereich der Kunst und Kultur im Freistaat Sachsen, die mit coronabedingten Einschränkungen konfrontiert waren oder noch sind, bereit gestellt werden, exakt der Unterstützung von individuellen Akteurinnen und Akteuren im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft zu Gute kommen.
Andererseits ist der von den Initiatoren der Petition verfolgte Ansatz, dass die Stadt Chemnitz stattdessen einspringt und jeder und jedem kreativ Tätigen einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 3.000,00 EUR gewährt, so auch nicht praktikabel.
Abgesehen davon, dass, hätten wir uns in der Hochphase des Corona-Shutdowns, der auch Chemnitz erheblich getroffen hat oder spätestens mit dem ersten im Stadtrat am 29. April beschlossenen Maßnahmepaket zur Abfederung der coronapandemiebedingten Auswirkungen für diese Pauschalzahlung von 3.000,00 EUR entschieden, hätte dies die Betroffenen nicht wirklich wirtschaftlich und existenziell gerettet.
So sehr wir die mentale Hürde verstehen, die es für die hier zur Rede stehenden Betroffenengruppen bedeutet, Hartz IV zu beantragen, wie man landläufig sagt: Die Inanspruchnahme der gesetzlich vorgesehenen Grundsicherung mit den angepassten niederschwelligen und gerade nicht mit entwürdigenden Bedürftigkeitsprüfungen verbundenen Leistungsvoraussetzungen, konnte und kann Chemnitz seinen Künstlerinnen und Künstlern, seinen Kreativen nicht einfach von vornherein ersparen. M.E. geht das schon aus Rechtsgründen und wegen der Subsidiarität kommunaler Hilfsmaßnahmen nicht. Dennoch müssen wir im Auge haben, dass selbst die zeitweilige Flucht in die Grundsicherung, die wir den Betroffenen, hier den Kreativen, zumuten müssen, nicht immer hilft Stichwort: Bedarfsgemeinschaften.
Aus unserer Sicht war ein gangbarer Weg, den Chemnitz zu der uns möglichen Unterstützung der Soloselbständigen, Kleinstunternehmer*innen und Freiberufler*innen etc. gehen wollte, tatsächlich das mit Beschluss Nr. B‑116/2020 vom 29.04.2020 angenommene Unterstützungsprogramm In der Krise sichtbar und hörbar bleiben. Da müssen wir der Verwaltung in ihrer Stellungnahme zur hiesigen Petition ein Stück hin Recht geben. Allerdings gingen wir davon aus, dass dieses Unterstützungsprogramm namentlich auch für die in der Kultur- und Kreativwirtschaft Tätigen wirksam wird. Will heißen, dass auch der Personenkreis, der den Verein Kreatives Chemnitz e. V. vertritt und in der Petition benennt, ohne Weiteres die Möglichkeit haben sollte, ohne ein großartiges Projekt anbieten und verteidigen zu müssen, rein mit einem Flyer oder einer Werbeaktionen schon mal 1.000,00 EUR als Ergänzungsmittel zum im besonderen Belastungsfall leider nicht vermeidbaren Rückgriff auf die Grundsicherung nach SGB II in Anspruch zu nehmen. Jedoch haben sich unsere Bedenken als richtig erwiesen, dass die Budgetierung des Programms mit 250.000,00 EUR von vornherein unrealistisch war.
Wir werden deshalb hier und heute, so leid uns dies tut, der Petition, so wie sie steht und liegt, nicht zustimmen können. Eine Änderungsfassung vorzuschlagen, die das Ziel aufnimmt, aber auf anderem Weg eine Lösung sucht ist rechtlich nicht zulässig. Wir plädieren statt dessen dringend nicht nur für die Weiterführung des kommunalen Sonderprogramms In der Krise sichtbar und hörbar bleiben bis zum 30.09.2020, sondern für eine im Verhältnis zum Änderungsantrag von CDU und SPD-Ratsfraktion deutliche Erhöhung des Mitteleinsatzes auf wenigstens 150.000,00 EUR, mit der deutlichen Ausrichtung, dass namentlich die in der Kultur- und Kreativwirtschaft unserer Stadt Tätigen bei niederschwelligen Voraussetzungen und ohne vorgegebene Zweckbindung etwa an die Finanzierung des Chemnitzer Kultursommers oder die Kulturhauptstadtbewerbung, wie dies die Änderungsvorlage von CDU und SPD vorsieht, für eigene Aktivitäten bis zu zwei Mail 1.000,00 EUR Bezuschussung in Anspruch zu nehmen können.
Dass dies keine Ideallösung ist, ist uns klar. Der richtige Weg aus unserer Sicht wäre, Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft, die durch die Coronaauswirkungen besonders hart betroffen sind, ein originäres Grundeinkommen zu gewähren, so, wie dies ein im Geschäftsgang des Sächsischen Landtages zu Drucksachen-Nr. 7/2685 befindlicher Antrag der dortigen Fraktion DIE LINKE vorsieht. Danach soll dem betroffenen Personenkreis zur angemessenen sozialen Absicherung befristet ein aus Mitteln des Staatshaushaltes zu finanzierendes Grundeinkommen von 1.180,00 EUR monatlich zur Verfügung gestellt werden, im dringenden Bedarfsfall auch rückwirkend.
Dass dieser Antrag wenig Erfolgsaussichten hat, gehört allerdings auch zur Wahrheit. Leider!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!