Aus dem Stadtrat vom 03.2.: Rede zum Produktenbahnhof

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zuerst. Meine Fraktionsgemeinschaft hält eine vernünftige Lösung für die vor- und nachgelagerten Bereiche des VMS, hier eine Instandhaltungshalle, für unabdingbar. Ich sage es gleich am Anfang, weil ich mir in den letzten 14 Tagen immer wieder anhören musste, wir, besonders ich, hätten etwas gegen den VMS und noch krasser, wir wöllten das Chemnitzer Modell in seiner Entwicklung ausbremsen.

Aber, wie immer im richtigen Leben muss man auch Nonsens aushalten.

Ich habe in den letzten Monaten immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Stadtrat in seiner Gänze auch seiner Verantwortung für sein langfristiges Tun bewusstwerden muss. D.h. im Stile von Adenauer, wir dürfen nicht nach dem Grundsatz handeln: „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an“.

Der Stadtrat hat vor langer Zeit entschieden, den Produktenbahnhof von der Bahn zu kaufen und ihn als stadtnahen Gewerbepark zu entwickeln. Bislang wurden dafür 1, 125 Mio. € aufgewandt. Bei dem Beschluss war ich noch nicht Stadtrat, gehe aber davon aus, dass dieser langfristige Beschluss im vollen Bewusstsein aller Stadträte getroffen wurde.

Bis. Bis der VMS im September dem doch etwas verdutzen ASM die Alternativlosigkeit des Grundstücks für seine Instandhaltungshalle erläuterte. Dann, mehrere Monate Ruhe und nun wird innerhalb von kaum 4 Wochen der Wunsch, eigentlich die Forderung des VMS, durchgepeitscht. Ein anderer Begriff dafür fällt mir beim besten Willen nicht ein. Es hat keine Beratungen dazu vor dem 19.1.2021 in den Gremien gegeben – und wenn, da scheinbar nur in Hinterzimmern.

Lassen sie mich mal 5 Merkwürdigkeiten hierbei ansprechen:

1.     Die Alternative RAW- Gelände wird ausgeschlossen – da wäre kein Platz, keine Möglichkeit. Dem Investor ist keine Anfrage, geschweige ein Gesprächsangebot des VMS bekannt. Alles, was erzählt wird, warum alles nicht geht, ist nicht belegt. Die Aussage, wonach die jetzige Halle der RegioNetzVerkehrsGmbH der Bundesbahn bis 2023 voll ausgelastet ist, mag stimmen. Die Mähr, dass die Bahn sicher darüber hinaus weiter an dem Standort reparieren will, ist nur Bauchgefühl, nach dem Motto, die in Berlin. Ein Gespräch dazu gab es nicht. Aber ein glaubwürdiges Totschlagargument.

2.     Die Erzählung, wonach doch Generationen den Standort mit Bahngleisen in Verbindung bringen, also so was wie ein emotionales Verhältnis haben, dies müsste eigentlich schon beim Beschluss über die Gewerbefläche bekannt gewesen sein. Und. Wenn wir bei einer solch wichtigen Entscheidung das Generationengefühl bemühen; warum nur dort. Haben wir beim Festplatz darüber nachgedacht, ob dort Generationen sich vergnügt haben?

3.     Als amtierender Aufsichtsratsvorsitzender der CWE bin ich natürlich verärgert über die abwertenden Kommentare zur Gewerbeansiedlung. Da darf sich neuerdings jeder abarbeiten, wie er lustig ist. Ohne Kenntnis zu haben oder nur, um zu erzählen, was der Nachbar gesagt hat, der es wieder von einer verschwägerten Cousine, die es von einer Nichte 3. Grades hat. Und wenn die Vertreterin der Grünen im VFA aus dem Internet zitieren darf, dass die CWE doch über 75 ha Gewerbefläche verfügen würde; da braucht es die 6 ha Produktenbahnhof gar nicht. Tatsächlich stehen aktuell noch ca. 10 ha zur Verfügung, und rd. 28 ha, die für Großansiedlungen an der Leipziger Straße vorgesehen sind. Und der Stadtrat hat die Gewerbegebieten Rabenstein-Ost und Technologiecampus faktisch stillgelegt. Also rund 10 ha sind gegenwärtig für Gewerbeansiedlungen verfügbar. Das ist die Realität. Der jährliche Bedarf beträgt etwa 5 ha für kleinere Ansiedlungen.

4.     Niemand hat bisher gesagt, was die Anbindung des Standortes an das Straßenbahnnetz wohl kosten wird, wenn man davon ausgeht, dass die Bahnen nicht wie bei Hartmann mit Pferdebahnen die Dresdner Straße herangekarrt werden. Da dies erst mit der Stufe 3 des Chemnitzer Modells erfolgen wird – die Stufe 4 soll bis 2030 fertiggestellt werden – warum diese unüberlegte Eile?

5.     Wie kann es sein, dass der VMS schon erste Planungen in Auftrag gegeben hat und schon weiß, wie die Halle sich in das Stadtbild einfügen soll, wenn erst heute klar wäre, ob hopp oder topp.

Wir können die Nöte der Stadt verstehen – ca. 1,1 Mio. € jetzt für die Stadtkasse sind aktuell wichtig. Aber langfristig für den Wirtschaftsstandort und im Interesse einer nachhaltigen Stadtentwicklung, zu der wir uns auch bekannt haben, ist es nicht gedacht.

Letztlich – wenn wir IHK und Handwerkskammer in den Wirtschaftsbeirat integrieren, aber gleichzeitig deren Auffassung zu diesem Beschluss völlig ignorieren, dann handeln wir mit Zitronen. Wir erkennen die dringlichste Notwendigkeit dieses Beschlusses heute nicht und halten eine Vertagung und nochmalige Diskussion in den Ausschüssen – nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag unter Beteiligung aller Mitspieler – auch des Investors des RAW- Geländes, für die richtigere Variante.