Aus dem Stadtrat vom 13.10.: Grünanlagensatzung

Der gegenständliche Satzungsänderungsantrag hat es so gut, wie er gemeint sein möge jedenfalls was die Paragrafen 2 und 4 angeht, sachlich und rechtlich ganz hübsch in sich.

Und dies auch, nachdem das Dezernat 6 am 05.05.2021, wo die Vorlage ursprünglich auf der Tagesordnung war, einen Änderungsantrag eingebracht hat, der den Begriff Freizeitanlagen, der in den § 3a rein sollte, rausgenommen und durch Fitnessanlagen ersetzt hat, wobei die Sache ganz wirr wird, nachdem das gleiche Dezernat mit E‑Mail an die Fraktionen vom gestrigen 12.10.2021 in Reflektion auf die jüngste Sitzung des Ältestenrates mitteilt, dass der Begriff bzw. die Bezeichnung  Freizeitanlagen schon den Spielplätzen zugeordnet ist.

Nun weiß keiner mehr, was gehauen und gestochen ist

Aber im Einzelnen:

2 der Vorlage sieht vor, in der jetzt geltenden Satzung über die Benutzung öffentlicher Grünanlagen in der Stadt Chemnitz vom Stand Juli 2018 im § 3a Verhalten auf Spiel- und Bolzplätzen zunächst generell eine Erweiterung qua Änderungsantrag zwar nicht mehr auf alle Freizeitanlagen, wie ursprünglich gewollt, doch aber auf Fitnessanlagen vorzunehmen.

Das geschieht schon in der Überschrift und soll sich dann in Abs. 1 des § 3a mit der Regelung niederschlagen, dass im Bereich der Stadt Chemnitz vorhandene Spiel- und Bolzplätze sowie Fitnessanlagen genannt als Beispiel der Bewegungsparcours Schloßstraße/Theunertstraße von 8 bis 22 Uhr nur entsprechend ihrem Zweck benutzt werden dürfen.

Für Spiel- und Bolzplätze galt das schon bisher. Fitnessanlagen kommen jetzt hinzu, ohne, wie bisher schon bei Spiel- und Bolzplätzen, bekannt zu geben, welche tatsächlich gemeint sind, was mindestens gegen das Prinzip der Normenklarheit verstößt. Doch dazu sage ich später noch etwas.

Was für Spiel- und Bolzplätze und künftig auch für Fitnessanlagen verboten ist, regelt bereits jetzt § 3a Abs. 2 Buchstabe a)-c) Grünflächensatzung in der geltenden Fassung, nämlich gefährliche Gegenstände, z. B. Glasflaschen mitzubringen, ausgenommen Glasbehältnisse für Babynahrung (Buchstabe a), unter b) alkoholhaltige Getränke zu konsumieren oder anderen zum Verzehr zu überlassen bzw. sich im alkoholisierten Zustand auf dem Platz aufzuhalten, c) zu rauchen sowie Tabakwaren oder Teile davon z. B. Zigarettenkippen wegzuwerfen.

Hinzu kommt jetzt, dass dieses Verbot auch für einen Umkreis von 30 Metern für Spiel- und Bolzplätze bzw. Fitnessanlagen gelten soll.

Diese Ausweitung von Verbotsregelungen auf Fitnessanlagen und den 30-Meter-Umkreis insgesamt findet dann seine logische Fortsetzung in der Ausweitung der im § 12 Abs. 1 Nr. 22 und 23 bisher schon vorgesehenen Ordnungswidrigkeitstatbestände auch auf Fitnessanlagen und eben auf den besagten Umkreis von jeweils 30 Metern.

Wer entgegen § 3a Abs. 1 neue Fassung Spiel- und Bolzplätze sowie Fitnessanlagen von 8 bis 22 Uhr zweckentfremdet nutzt (Änderung Ziff. 22) und wer auf Spiel- und Bolzplätzen sowie Fitnessanlagen einschließlich einem Umkreis von 30 Metern alkoholische Getränke konsumiert bzw. anderen zum Verzehr überlässt oder sich alkoholisiert dort aufhält bei welchem Promillegrad auch immer das beginnen soll oder gefährliche Gegenstände wie Glasflaschen mitbringt usw., kann künftig nach § 12 Abs. 2 mit einer Geldbuße von 5,00 bis höchstens 1000,00 EUR, bei fahrlässigen Zuwiderhandlungen bis höchstens 500 EUR bestraft werden.

Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Nichts gegen den Schutz unserer Kinder, wann und wo immer es dessen bedarf!

Was aber hier geschieht, ist verfassungsrechtlich einfach um Längen zu unbedarft. Wo jemand sein Bier trinkt oder mit Nachbarn und Freunden mit einem Sekt oder Wein anstoßen möchte oder mit einem weinhaltigen Getränk oder einem alkoholhaltigen Radler gehört zunächst mal zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht beinhaltet eine sehr weite und allgemeine Freiheitsverbürgung und stellt nach allgemeiner verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung eine Generalklausel der Freiheitsrechte dar.

In sachlicher Hinsicht ist der Schutzbereich ebenfalls sehr weit auszulegen und umfasst das Recht der oder des Einzelnen zu tun und lassen zu können, was sie/er möchte. Zu dieser Freiheit zählt u. a. ausdrücklich auch die Freiheit von Belastungen mit Geldstrafen, Geldbußen und Zwangsmitteln.

Natürlich ist diese Freiheit nicht schrankenlos. Dort, wo das Verhalten eines Betroffenen und die Rechte anderer verletzt, gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Grundgesetz verstößt, ist es einschränkbar. Aber auch nur dann! Wenn es um Spiel- und Bolzplätze geht, die der Natur der Sache nach überwiegend für Kinder- und Jugendliche gedacht sind, sind wir dacor. Deshalb haben wir auch gar nichts gegen die bisherige Regelung, wie sie in § 3a der jetzigen Satzung steht.

Weshalb jetzt aber noch aufgesattelt werden muss und grundsätzlich von Menschen unterschiedlichen Alters genutzte Fitnessanlagen oder vorher in der Ursprungsfassung Freizeitanlagen undifferenziert hinzukommen sollen, erschließt sich uns sachlich nicht und begegnet aus unserer Sicht grundsätzlichen Bedenken eben in der Reichweite der Handlungsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Grundrechtseingriffe dürfen, wodurch immer sie bewirkt werden, hier eben durch die Grünflächensatzung, nur dann erfolgen, wenn dies zum Schutz quasi gleichrangiger Rechte von Betroffenen nach der verfassungsmäßigen Ordnung erforderlich, zweckmäßig und verhältnismäßig ist.

Weshalb es erforderlich, zweckmäßig und verhältnismäßig sein soll, jedweden Genuss auch von nur kleinen Mengen von Alkohol in einer Entfernung von 30 Metern vom Sandkasten bzw. vom Spielplatz selbst zu untersagen, ohne, dass ich das konkret ortsbezogen auf die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen stützen kann, erschließt sich uns nicht.

Ich habe mir auf entsprechende Bürgerhinweise schon unmittelbar nach Einreichung der Beschlussvorlage durch die Verwaltung Ende vergangenen Jahres mal einige von der 30-Meter-Regelung betroffene Spielplätze angesehen. Die Parks und Grünanlagen, in der diese liegen, sind ja nicht immer üppig groß. Nimmt man zum Beispiel den schönen, vor relativ kurzer Zeit geschaffenen Spielplatz am Rosenplatz und misst oder schreitet vom Spielplatzrand bis zum Ende des Areals 30 Meter ab, ist in allen vier Himmelsrichtungen die gesamte Park- bzw. Grünfläche betroffen. Im Park am Rosenplatz in der Gesamtheit darf sich also keiner mehr aufhalten, der mit seinem Nachbarn ein Bier und einen Wein trinken möchte, bestimmte Mengen geistiger Getränke schon intus hat oder dem Rauchen frönt. Auch sämtliche abseits vom Spielplatz installierte Parkbänke sind tabu.

Von derartigem Zuschnitt wie am Rosenplatz haben wir in Chemnitz zahlreiche weitere, die samt und sonders zur Verbotszone werden.

Apropos Zweckmäßigkeitsvoraussetzung: Ist es wirklich zweckmäßig, wenn ein Elternteil oder sonstige Aufsichtsperson mit dem Kind auf dem Spielplatz ist, nun aber mal dem Laster des Rauchens frönt, künftig den Spielplatz mehr als 30 Meter verlassen muss, um beim 31. Meter die Zigarette zu rauchen. Dass dies im Kindeswohlinteresse liegt, bezweifeln wir auch.

Und schließlich: Woher weiß denn die Chemnitzerin oder der Chemnitzer oder die zugereisten Gäste, die in Chemnitz einen Park, eine Grünfläche oder ein sonstiges Areal, das mit einem Spielplatz bzw. einer Fitnessanlage versehen ist, betreten, dass selbige unter die Reichweite der Verbotsregelungen fallen? Es gibt in Chemnitz nicht nur regionale Spiel- und Bolzplätze bzw. Fitnessanlagen. Auch solche von Wohnungsgenossenschaften etc.

Schon die jetzt geltende Fassung der Grünanlagensatzung führt in der Anlage zwar relevante Grünanlagen der Kategorien A und B aus, auch in einer Anlage Hundewiesen, keineswegs aber eine Aufzählung von regelungsbetroffenen Spiel- und Bolzplätzen bzw. Fitnessanlagen.

Der in der gestrigen E‑Mail vom Dezernat 6 erfolgte Verweis auf den Internetauftritt der Stadt Chemnitz und hier konkret den Themenstadtplan, der Grünanlagen und Spielplätze beinhaltet, schlägt dem Fass den Boden aus. Ich kann doch nicht ein Gesetz oder Satzung mit einer strafbewehrten Regelung beginnen und dann mitteilen: Den Rest lest im Internet nach!

Was regelungsbetroffene Grünanlagen oder Hundewiesen sind teile ich in den Anlagen zur Satzung bin. Bei Spiel‑, Bolz- und Fitnessplätze verweise ich aufs Internet! Was hat das denn mit Normenklarheit und Rechtssicherheit zu tun?

Die Argumentation in der genannten E‑Mail, die Anfrage im Ältestenrat, warum denn der Änderungssatzung kein entsprechendes Kartenmaterial beigefügt ist, ist schlicht völlig daneben.

Nicht weniger erklärungsbedürftig ist, das sage ich nochmals, der vorherige Schwenk, Freizeitanlagen seien bereits den Spielplätzen zugeordnet. Achso? Und nur die Freizeitanlagen, wo Spielplätze dabei sind? Soll sich das der rechtsbetroffene Bürger raussuchen?

Summa summarum: Gut gemeint, ist nicht gut gemacht.

Das Teil ist uns einfach zu extensiv verbotslastig aufgeladen. Das passt nicht in ein modernes Gemeinwesen und vor allem nicht mit unserer Verfassung zusammen.

Die Fraktionsgemeinschaft Bündnis 90/DIE GRÜNEN und unsere Fraktionsgemeinschaft wollen mit dem vorliegenden Änderungsantrag überhaupt nicht die Schutzwirkungen für Kinde wegnehmen. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als den durch die jetzt geltende Grünflächensatzung schon geschaffenen, aus unserer Sicht vertretbaren und berechtigten Einschränkungsgrad beizubehalten, wobei unseres Erachtens die nummerative Aufzählung rechtsbetroffener Bolzplätze bzw. Fitnessanlagen in einer weiteren Anlage zur Grünanlagensatzung hinzukommen sollte.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!