Aus dem Stadtrat vom 19. Juni: Qualitätssicherung Stadtbibliothek

Ich schließe mich zunächst der Argumentation an, die die Kollegin von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einbringung des Antrages vorgetragen hat.

Für unsere Fraktionsgemeinschaft nun noch folgende ergänzende Gedanken: Mit etwa 600.000 Besucherinnen und Besuchern im Jahr, gewährleistetem Zugang für Nutzerinnen und Nutzer zu 330.000 aktuellen Medien und mit 167.000 Bänden historischen Schrifttums ist unsere Stadtbibliothek Chemnitz ein Zentrum für den freien Zugang zu Information und kultureller Bildung. Die Zentralbibliothek ist Bestandteil des Kulturbetriebes TIETZ, die Stadteil‑, Zweig- und Kinderbibliotheken, die Ausleihstellen in Wittgensdorf, Röhrsdorf und Klaffenbach sowie der Bücherbus gewährleisten Jahr für Jahr ein umfangreiches Informations- und Bildungsangebot für Menschen jeder Herkunft sowie aller Interessens- und Altersgruppen. Zum Angebot gehören neben Druckwerken auch E‑Books, Hörbücher, Onlinekurse, Musik und Filme, regelmäßig weithin kostenlos.

Seit Jahrzehnten gilt die Stadtbibliothek von Chemnitz im bundesweiten Ranking als eine der profiliertesten und innovativsten Einrichtungen. Für ihre engagierte Arbeit wurde sie im Jahr 2006 im Wettbewerb „Bibliothek des Jahres“ mit dem zweiten Platz ausgezeichnet. Im bundesweiten Leistungsvergleich für öffentliche Bibliotheken belegte sie in den Jahren 2010 den zweiten und 2011 den dritten Platz. 2012 er-hielt die Chemnitzer Stadtbibliothek den sächsischen Bibliothekspreis.

Ich erinnere mich noch gut, mit welch hehren und berechtigt wert-schätzenden Worten wir angesichts dessen im Frühjahr 2021 die lang-jährige Leiterin der Stadtbibliothek Chemnitz Elke Beer im Kulturausschuss des Stadtrates in den Ruhestand verabschiedet haben.

Eben weil die Stadtbibliothek Chemnitz mit dieser reichlich halben Million Besucherinnen und Besuchern jährlich die am stärksten frequentierte Kultur- und Bildungseinrichtung in der Stadt mit erheblicher Vernetzung auch in die Region ist, hat der Stadtrat, der jetzt scheidende, wie auch seine Vorgänger in vorangegangenen Legislaturperioden, nach seinen Möglichkeiten vieles getan, um die notwendigen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Fortentwicklung der Stadtbibliothek zu gewährleisten und deren Fortentwicklung zu sichern. Dazu gehört auch, dass der Stadtrat mit Überlegung und aus guten Gründen den Stellenplan auf Vorschlag der Verwaltung so beschlossen hat, wie er für 2023/2024 jetzt gilt, in der Annahme, dass diesen Vorgaben des Haushaltsgebers auch gefolgt wird, dass sie durch die Verwaltung nicht einfach ignoriert werden.

Stattdessen macht sich seit ca. einem Jahr in der Chemnitzer Stadtbibliothek und bei deren Nutzern Verdruss breit. Aus Personalnot gibt es immer mehr Einschränkungen. Der Kundenservice an den Beratungstheken sowie im Telefondienst wurde zunächst schrittweise schon im Jahr 2023 eingeschränkt und ist inzwischen während der gesamten Öffnungszeit nicht mehr besetzt.

Kunden erleben den Personalmangel neben den nicht mehr besetzten Info-Tresen auch durch den Wegfall von Dienstleistung und Angebot, durch Einschränkung der Öffnungszeiten. So öffnet die Bibliothek nicht mehr, wie über Jahre gehandhabt, 9:00 Uhr, sondern inzwischen erst 10:00 Uhr. Das bringt namentlich einen Einschnitt für die Nutzung der Bibliothek durch Kita-Gruppen und Schulklassen mit sich. Nach unserer Erinnerung ist seinerzeit das Öffnen der Stadtbibliothek schon 9:00 Uhr maßgeblich aus der Erwägung erfolgt, dass u. a. Kita-Gruppen, die gegen 11:00 bzw. 11:30 Uhr bereits wieder das Mittag-essen in ihrer Einrichtung einnehmen müssen, die Zeit haben, die Stadtbibliothek kennenzulernen.

Abgesagt werden musste für dieses Jahr aus exakt dieser Personalnot auch der traditionelle Buchsommer für Kinder und Jugendliche, was der Vorsitzende des Fördervereins der Stadtbibliothek, Curt Bertram in einem Brandbrief an die Stadträtinnen und Stadträte als „der traurige i‑Punkt“ bezeichnete. Mit dem Zusatz: „Wir sind fassungslos.“

Eine weitere Konsequenz aus dieser haltlosen Situation ist, dass die noch nicht einmal drei Jahre im Amt befindliche bisherige Chefin der Stadtbibliothek zum 30.06.2024 kündigt, wie die Medien formulierten: „Die Reißleine gezogen“ hat.

Wie schon von der Kollegin in ihrer Einbringungsrede ausgeführt hat, ist nicht erkennbar, dass es in irgendeiner Weise hilfreich sein soll, darauf zu verzichten, die Stelle der Leiterin der Stadtbibliothek sofort in der üblichen Art und Weise neu auszuschreiben sowie schnellstmöglich wieder zu besetzen und stattdessen für das reichlich nächste halbe Jahr eine, wie Sie es in Ihrer Stellungnahme vom 7. Juni beschreiben, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Ruscheinsky, „geteilte Führung der Bibliothek“ durch zwei jetzige Sachgebietsleiterinnen der Stadtbibliothek zu installieren, die dann jeweils zu 50 Prozent von ihren regulären Aufgaben freigestellt werden müssen und damit zwangsläufig für die Verrichtung ihrer jetzigen Aufgaben in der Stadtbibliothek ausfallen.

Angesichts dieser dramatisch untragbaren Situation kann sich der scheidende Stadtrat nach unserer Überzeugung nicht mehr auf Informationsanfragen und Auskünfte in den Ausschüssen beschränken.

Für nicht weniger dringlich erachten wir, dass alle bislang unbesetzten Stellen im vom Stadtrat beschlossenen Stellenplan kurzfristig und ohne Wenn und Aber wieder besetzt werden und dass dem neuen Stadtrat Ende August verbindlich mitgeteilt wird, welche Maßnahmen diesbezüglich und zur Wiederherstellung der uneingeschränkten Leistungsfähigkeit der Stadtbibliothek eingeleitet sind.

Dass wir im gleichen Kontext im Kulturausschuss und im Verwaltungs- und Finanzausschuss im September 2024 das erarbeitete Bibliothek-sentwicklungskonzept aufgerufen haben wollen, ist eine weitere logische Konsequenz aus der momentanen Lage der Stadtbibliothek Chemnitz.

Wir bitten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Zustimmung zu diesem aus unserer Sicht berechtigten und notwendigen Antrag.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!