Aus dem Stadtrat vom 25. September: Einrichtung von „Plauderbänken“

Ein Ministerium gegen Einsamkeit. Das könnte ein Fantasieort in einem Roman von Michael Ende sein. Gerade weil die Menschen doch aktuell alle vermeintlich per social media ständig connected, in touch und online sind. Doch das habe ich mir leider nicht ausgedacht. Es existiert wirklich. 2018 richtete Großbritannien ein Ministerium gegen Einsamkeit ein. 2021 folgte Japan.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte im Mai 2024 das erste Einsamkeitsbarometer für Deutschland: 11,3% der Bevölkerung sind von Einsamkeit betroffen. Daraus lässt sich für Chemnitz ableiten, dass allein in unserer Stadt etwa 28.400 Menschen unter einer hohen Einsamkeitsbelastung leiden. Besonderes betroffen sind sowohl junge als auch ältere Menschen.  Einsamkeit ist kein Randphänomen.

Die Gründe, die zur Vereinsamung führen oder diese begünstigen, können zum Beispiel der Austritt aus dem Berufsleben, der Verlust von Freund:innen und Partner:innen, die Coronapandemie, Armut, Care Arbeit oder andere Erkrankungen sein. Einsame Menschen werden selbst wiederum schneller krank, sterben früher und beteiligen sich weniger am gesellschaftlichen Leben. Der Rückzug verstärkt wiederum das Einsamkeitsempfinden. Deshalb benötigen diese Menschen unsere Unterstützung. Als Stadtgemeinschaft sind wir aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die das Einsamkeitsrisiko senken. Um Vereinsamung entgegenzuwirken, sind folgende Faktoren besonders effektiv :

  • die gesellschaftlichen Teilhabe – wie Sport, Ehrenämter, Besuch von Kultur- und Jugendeinrichtungen, gemeinsames Musizieren, etc.
  • ein starkes soziales Umfeld – wie Familie, Verwandte, Freund:innen, Nachbar:innen, etc.

und eine gute Infrastruktur bestehend aus nichtkommerziellen, niedrigschwelligen sozialen Räumen im unmittelbaren Wohnumfeld. Doch wo können wir nun direkt ansetzen? Familienkontakt und Freundschaften lassen sich verwaltungsseitig nur schwer verordnen. Die Grundlagen für Kultur, Sport und Jugendangebote sind ein „dickes Brett“, welches wir hier gemeinsam am Ende des Jahres 2024 erst noch „bohren“ dürfen.

Der Antrag zur Einrichtung von „Plauderbänken“ greift den Gedanken von niedrigschwelligen, nichtkommerziellen, sozialen Orten im unmittelbaren Wohnumfeld auf. Gemäß der Stellungnahme der Verwaltung ist das Vorhaben grundsätzlich umsetzbar. Wer sich auf so einer ausgewiesenen Bank niederlässt, signalisiert Redebereitschaft. Die damit offen ausgesprochene Einladung senkt soziale Barrieren. Die Nutzer:innen können ohne Rahmen und Zwang ins Gespräch kommen oder sich beispielsweise Ratschläge holen. Nach einer Plauderei zwischen zwei unbekannten Menschen bleibt vielleicht das Gefühl einer angenehmen Begegnung zurück oder eine vertraute Person, die zukünftig täglich grüßt oder sogar eine nachbarschaftliche Freundschaft. Außerdem tragen Plauderbänke zum Abbau von Misstrauen bei, befördern den Zusammenhalt im Stadtteil und wirken kriminalpräventiv. Darüber hinaus steigert der längere Aufenthalt im Freien die (mentale) Gesundheit.

Des Weiteren ist vorstellbar das Angebot mit der Unterstützung von sozialen Trägern, den Stadtteilpiloten und anderen Akteur:innen um Patenschaften für Plauderstunden bei Kaffee und Kuchen auszubauen und so die Plauderbänke in der Stadtgemeinschaft bekannt zu machen. Die sozialen Träger werden damit im Sozialraum als Anlaufstellen sichtbarer. Städte in Großbritannien, Spanien, den USA, Kanada, Australien und Deutschland setzen das Konzept der „Plauderbänke“ bereits seit Jahren um.

Deshalb lassen Sie uns im Interesse der betroffenen Menschen und zur Förderung eines positiveren Stadtklimas das Thema nicht auf die lange Bank schieben. Ich bitte Sie für den Antrag zu stimmen und auch in Chemnitz diese niedrigschwelligen, nichtkommerziellen positiven Orte der Begegnung zu ermöglichen.