Aus dem Stadtrat vom 11. November: Debatte zu Kitaschließungen

Vielen Dank, dass ich zum ersten Mal zu einem Tagesordnungspunkt reden darf, in dem es nichts zu beschließen gibt. Ich werde hier kurz die Historie skizzieren, wie sie sich aus Sicht unserer Fraktion darstellt und selbstverständlich das Nicht-Geheimnis lüften, wie sich die LINKE zu den Kita-Schließungen positionieren wird.

Die Einberufung dieser Sondersitzung, kurz vor einer regulären Stadtratssitzung, hat uns (gelinde ausgedrückt) irritiert. Wir haben der anfragenden Fraktion, BSW, sachlich erläutert, weshalb wir eine Sondersitzung ablehnend gegenüberstehen. Da das BSW bei uns nicht erfolgreich war, kam dann die AfD-Fraktion als Steigbügelhalter für diese Sondersitzung ins Spiel. Beiden Fraktion hätte klar sein können, dass es sich hier nicht um ein plötzlich aufgetretenes Problem handelt. Davon ausgehend, dass eine Kandidatur für den Stadtrat ein kommunalpolitisches Interesse auch schon vor der Wahl einschließt, lässt vermuten, dass die Mitglieder dieser zweiten Fraktion die Kita-Platzabbau- bzw. Schließungspläne auch schon vorher kannten.

Denn schon zu Beginn des Jahres 2023 gab es durch den JHA den Auftrag an die Verwaltung, dass die Träger von Kitas zunächst prüfen, ob sie von sich aus Platzkapazitäten reduzieren könnten, um die vorgeschlagenen Versorgungsgrade (im Krippenalter von 53% und im Kindergartenalter von 89 %) zu erreichen. Dies ist auch geschehen und auf diese Weise konnten über 100 Plätze abgebaut werden, ohne dass Kitas im Ganzen geschlossen werden mussten. Davon war auch in der Presse zu lesen. Dennoch gab es rechnerisch immer noch reichlich 400 Plätze zu viel. Um diese auch noch reduzieren zu können, wurde vor genau einem Jahr im JHA eine sozialräumliche Prüfung der zur Verfügung stehenden Plätze und die Kita-Auslastungen im jeweiligen Stadtteil vorgeschlagen. Dort sollte eine (Zitat) „Ist-Analyse und eine gemeinsame Ableitung von Maßnahmen erarbeitet werden, um Überkapazitäten abzubauen und die Versorgung mit Betreuungsplätzen bedarfsgerecht im Sozialraum zu gestalten“.

Wir finden, dass es sich hier um eine sehr gute und beteiligtenfreundliche Verfahrensweise handelt, die das kollektive Wissen nutzt und kreative Ideen zu Tage bringen kann. Denn in diesen Stadtteilrunden sollten die Kindertagesstätten des Sozialraums, Elternvertretungen, Stadträte, Wohnungsgesellschaften und Interessierte teilnehmen.

Bedauerlicherweise haben diese sogenannten Stadtteilkonferenzen nie in dieser Form stattgefunden.

Inzwischen stehen andere Zahlen im Raum: es wird von einem Überhang von 525 Plätzen im Krippenalter und von 555 Plätzen im Kindergartenalter ausgegangen. So wurden durch die Verwaltung zehn Kitas zur Schließung vorgeschlagen und vor wenigen Wochen fanden dazu Webex-Konferenzen und zum Teil Elternversammlungen statt.

Seit Bekanntwerden der Schließungspläne haben uns zahlreiche Anfragen, Bitten und Stellungnahmen aus verschiedenen Bereichen erreicht: selbstverständlich zuallererst von den betroffenen Eltern und Elternvertretungen. Recht schnell wurde eine Petition gestartet und eine weitere wieder geöffnet. Bislang verzeichnen beide in Summe 15.500 Unterschriften [(die eine Petition 9.536 Unterschriften, die andere 5.967)]. Weiterhin gab es eine gemeinsame Runde zwischen Elternvertretungen und Stadtratsmitgliedern, in dem die Elternvertretungen die Kitas mit all ihren räumlichen Bedingungen, Wegeentfernungen und Meinungen der Eltern bspw. zum Umzug im Gruppenverband vorgestellt haben. Dabei wurde deutlich, dass sich einige Eltern sehr überrumpelt vorkamen und die Pläne nicht nachvollziehen konnten.

Recht schnell erreichte uns ein Schreiben des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, welches sehr eindringlich davor warnte, Kita-Schließungen vorzunehmen und von haltlosen Zuständen in den Kitas berichtet. Als Ursache dieser Zustände wird vor allem der Personalmangel und der Betreuungsschlüssel benannt. Interessanterweise mahnt dieses Schreiben auch, dem Wirtschaftsstandort Chemnitz könnte damit immenser Schaden entstehen, wenn keine wohnort- oder Arbeitsortnahen Kita-Plätze zur Verfügung stünden.

Auch verschiedene Schreiben von im Techno-Park ansässigen Firmen, bspw. Electronic Design Chemnitz GmbH oder der HZwo e.V. drücken ihr Unverständnis zum Sachverhalt aus, wie in der heutigen Freien Presse zu lesen ist.

Aber auch einzelne Familien schrieben uns, was die Kita-Schließungen für Auswirkungen auf die Familien im Konkreten haben würden: Trennung von Geschwisterkindern, Besonderheiten des Kindes bspw. die Erkrankung an Mukoviszidose und die notwendige Nutzung des Frühförderzentrums in unmittelbarer Nähe und so weiter.

Eine Elternvertreterin brachte in der oben beschriebenen Runde ihre Empörung zum Ausdruck:

„Bei den Kindern wurde in den letzten Jahren immer eingespart: kostenloses Vorschuljahr gestrichen, kostenlose Eingewöhnung gestrichen, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen sollten geschlossen werden und nun sollen Kitas geschlossen werden. Welches Bild gibt Chemnitz, als älteste Stadt Europas, damit ab?“

Genau hier möchten wir auch unsere Kritik anbringen: wir sind gegen Kita-Schließungen (und wir lassen uns auch nicht erpressen, wenn es heißt, „wenn ihr diesen Schließungsvorschlägen nicht folgt, müsst ihr uns aber eine andere Kita vorschlagen, die geschlossen werden soll“).

Der Vorschlag kam von der Verwaltung, ohne dass die Expertise in den Sozialräumen, so wie beschrieben, eingeholt wurde. Möglicherweise sind andere Lösungen denk- und machbar. Als Beispiel gilt der mögliche Umzug der gesamten Kita „Robert-Siewert-Straße“ in das Gebäude des BIK e.V.: eine kreative und von der Elternschaft mitgetragene Lösung. Wir drängen hier weiter auf die Umsetzung dieser Stadtteilrunden mit allen Beteiligten, um zu ermöglichen, Kita-Plätze abzubauen und dabei ohne massive Kita-Schließungen auszukommen

Des Weiteren bezieht sich die Argumentation der Verwaltung vor allem auf wirtschaftliche Gründe, insbesondere auf die Betriebskosten. Da jedoch das Personal der große Kostenfaktor ist und durch Umzüge im Gruppenverbund ja nicht eingespart wird, ist uns das Argument zu schwach in Vergleich zur pädagogischen Arbeit und zum schon erwähnten Betreuungsschlüssel. Uns ist nicht klar, wie groß das Einsparpotenzial finanziell tatsächlich ist. Kinder kosten nun mal Geld, in der Familie genauso wie in einer Kommune. Will sich Chemnitz tatsächlich mit dem Kleinstmöglichen zufriedengeben? Oder darf es im Sinne der Kinder- und Familienfreundlichkeit nicht doch ein Quadratmeter mehr sein? Kitas sind Bildungsorte. Eltern sollten in Wohnortnähe immer die (Aus-)Wahl haben und sich auch für ein konzeptionelle Richtung entscheiden können. Es kann nicht im Sinne eines zu Recht hohen erzieherischen und Bildungs-Anspruchs sein, den der sächsische Bildungsplan vorschreibt, Kitas unwiderruflich vom Netz zu nehmen, auch wenn dieser Prozess noch bis 2028 dauern soll.

Ohne Schließungen könnten endlich zweckentfremdete Räume wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt werden (Bewegungsräume, Kreativräume) und auch das Personal bekäme entsprechenden Platz (in einer Kita, die ich im Sinne eines Perspektivwechseltags besucht habe, war die Besenkammer der Umkleideraum für das Personal).

Als weiteren Grund sehen wir die länger werdenden Wege für die betroffenen Familien.

Abschließend möchten wir anmerken: es geht hier ganz konkret um die Zielgruppe von ca. 14.500 Kinder im Alter von 06 Jahren plus deren Eltern. In einer Stadt mit einer Einwohnerzahl von ca. einer Viertelmillion ist das vielleicht nicht die große Menge. Aber es geht um mehr als um einen Kita-Platz, es geht auch Lebensqualität und ‑zeit und Zufriedenheit. Wer sich mit Kindern in Chemnitz zu Hause und wohl fühlt, wird sicherlich weniger stark über einen Wegzug nachdenken. Wir sollten also jungen Familien hier ein gutes Leben ermöglichen. Dann klappt es vermutlich auch mit dem Wirtschaftswachstum.

Ich möchte, um den Bogen zum Beginn dieser Rede zu schließen, darauf aufmerksam machen, dass wir unser Sitzungsgeld dieser unseres Erachtens nicht zwingend notwendigen und populistischen Zwecken dienenden Sondersitzung spenden werden, nämlich Kleinkind-Inobhutnahmen des KJF.