Aus dem Stadtrat vom 13. November: Schulnetzplanung

Über 800 Seiten umfasst die gesamte Chemnitzer Schulnetzplanung. Das dicke Dokument zeigt, wie komplex und verflochten die Thematik ist. Zunächst möchten wir der Verwaltung ausdrücklich für ihre aufgebrachte Mühe und Kraft danken. Gleichzeitig gibt es zu viele offene Fragen und Unbekannte in der Gleichung der Verwaltung als dass wir die Vorlage einfach durchwinken könnten. Hier ein paar Beispiele:

B‑033/2024 Grundschulen

1) Die Kooperationsschule ist im Juli 2024 an ihrem endgültigen Standort angekommen. Das Dilemma: die Schule hält ein besonderes Konzept vor, welches Eltern sicherlich bewusst wählen werden. Allerdings ist die Kooperationsschule im Gegensatz zu anderen Schulen in freier Trägerschaft mit individuellen Konzepten dazu verpflichtet, sich bei der Aufnahme von Schüler:innen an die Schulbezirksbindung zu halten, sprich es dürfen nur Kinder aus dem Schulbezirk 5 bzw. später Schulbezirk 4 aufgenommen werden. Damit wird das offene Konzept der
Schule gefährdet. Das Landesamt für Schule und Bildung hat auf Nachfrage großzügige Ausnahmegenehmigungen in Aussicht gestellt, die allerdings öffentlich kommuniziert gehören, sonst erfahren es die, die es betrifft am Ende nicht: die zukünftigen Schüler:innen und ihre Eltern.

2) Die Grundschule Altendorf: Wir waren vor Ort und die Kinder haben von ihrer Schule geschwärmt. Für die aktuellen Klassen muss es die Möglichkeit geben ihre Schullaufbahn am Standort beenden zu können. Aber diese Variante in Form der Duldung der Containerlösung bis 2028 war im SSA zum 30.10.2024 noch nicht gesichert. Außerdem muss der Hort für die Kinder in unmittelbarer Nähe sein und darf keine längeren Wege bedeuten. Vorstellbar wäre eine Ansiedlung in der nahegelegenen Kita im Harthweg 2, im Schulgebäude selbst, wenn die 4. Klasse zum Ende des laufenden Schuljahres die Schule verlässt oder in Räumen der angrenzenden Oberschule. Außerdem muss für die nachfolgende Generation Schüler:innen zum einen der Schulweg zur Flemming Grundschule gesichert werden. Die Kinder müssen aus dem Einzugsgebiet der GS Altendorf kommend zukünftig die stark befahrene Limbacher Straße überqueren. Die Ampelschaltung ist sehr kurz und die Fußwege schmal, stellenweise schlecht beleuchtet. Zum anderen ist die ÖPNV-Anbindung zu prüfen und ggf. an die Bedarfe anzupassen. Der Schulweg verlängert sich für einige trotzdem um mehr als eine halbe Stunde.

3) Die Grundschule Am Stadtpark steht auf der Liste der Schulen, die geschlossen werden sollen, wenn die Mindestanmeldezahl von 15 Schüler:innen nicht erreicht wird. In der Vorlage der Verwaltung wird skizziert, das der Punkt im Jahr 2026/2027 erreicht sei. Das wird in der Sozialpsychologie als eine self-fullfilling prophecy bezeichnet, eine selbsterfüllende Prophezeiung, denn die Ankündigung wird Eltern verunsichern, die ihre Kinder dann nicht an einer Schule anmelden werden, die geschlossen wird. Und dabei handelt sich um eine Schule,
die gerade vom Bund für ein umfangreiches Förderprogramm, das Start-Chancen-Programm ausgewählt wurde: Ein Upgrade für die Schulgebäude, Chancenbudget und multiprofessionelle Teams –  ein echter Bildungstraum.
Die avisierte Fusion mit der Tereschkowa Schule hingegen ist eher das Gegenteil und erscheint damit aus unserer Sicht sehr fragwürdig. Die Schule soll 4‑zügig werden. Wie steht es um die Umsetzung des BA-021/2024 in Bezug auf die Tereschkowa-Schule? Diese Informationen sind enorm wichtig, für die weitere Planung und Entscheidungsfindung. Warum gab es dazu bisher keine Information an die Stadträt:innen? Das Platzangebot ist begrenzt und es darf bezweifelt werden, ob die Schule für die Schüler:innenanzahl auch mit Ausbau des sanierungsbedürftigen Seitenflügels geeignet ist. Außerdem verlängert sich der Schulweg für die Grundschüler:innen aus dem Umfeld der Grundschule am Stadtpark um etwa 2 km. Und eine Lösung für einen im Gebäude der Grundschule Am Stadtpark befindlichen Teil der Johannes Trüper Schule, einer Schule für Kinder mit emotional-sozialem Förderschwerpunkt, für die Veränderungen besonders herausfordernd sind und die Stabilität benötigen, ist im vorliegenden Antrag auch nichts zu lesen. Bei gleichzeitigem Fehlbedarf im Bereich der Förderschulen, wie wir an späterer Stelle sicherlich noch sehen werden.

4) Und dass es kaum Anmeldezahlen für die Grundschule Charlottenstraße gibt, überrascht uns beim Anblick des baufälligen Gebäudes nicht. Oder würden sie dort ihre Kinder anmelden? Deshalb können wir hier die formulierte Verwunderung über ausbleibende Anmeldezahlen und dem Hinweis es gäbe kein öffentliches Bedürfnis im
Antrag der Verwaltung nicht nachvollziehen. Das Auge isst bekannterweise mit.

Unterm Strich reduzieren wir mit dem vorgeschlagenen Schulnetzplan das Schulangebot in den betreffenden Stadtteilen deutlich, tragen zu langen Schulwegen für kurze Beine bei und erschweren oder verhindern gar die Beschulung von Kindern mit individueller Förderung, also die Inklusion von Kindern, die in unserer Gesellschaft gerade vorangebracht werden soll. Denn das Erschaffen solcher großen Schulen oder gar Schulzentren wird beispielsweise Kindern mit emotional-sozialem Förderbedarf nicht gerecht. Die Schüler:innenanzahl ist zu hoch, das Gelände und das Gebäude zu groß und zu unübersichtlich. Und wie schnell ist ein einzelnes Kind an einer großen Institution übersehen als an einer kleinen Einrichtung, an der sich auf Grund der Übersichtlichkeit
die Fachkräfte auch eher auf individuelle Bedürfnisse einstellen können. Und zur Krönung wird eine Schule auf die Liste der möglichen Streichungen gesetzt, in die mit erheblichen Bundes- und Landesmitteln für besser Lernbedingungen investiert werden soll. Gern hätten wir einen Änderungsantrag eingebracht, doch die oben dargestellte Komplexität lässt das in einem verantwortungsvollem Maße in der Kürze der Zeit nicht zu. Diese Fehlplanung können wir nicht mittragen und  werden dem Antrag deshalb nicht zustimmen.

BA-034/2024 Förderschulen

Im Bereich der Förderschulen verzeichnen wir in Chemnitz je nach Förderschwerpunkt einen Sättigungsgrad oder Fehlbedarfe, die durch die vorliegende Schulnetzplanung nicht oder nur unzureichend behoben werden. Die Erweiterung von Standorten, wie beispielsweise des Terra Nova Campus, auf Kosten der Stadt Chemnitz ist ein zweischneidiges Schwert. Die Erweiterung würde bestimmte Fehlbedarfe decken, allerdings ist das Einzugsgebiet nicht nur Chemnitz sondern erstreckt sich über Stadtgrenzen hinaus. Eigentlich bedürfe es dann auch eine Beteiligung der anderen Gemeinden. Außerdem sind, wie bereits heute schon ausgeführt, Lernbedingungen und ‑atmosphäre auf einem großem Campus für junge Menschen mit individuellen Bedarfen nachteilig. Frau Lanfermann Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Behindertenbeauftragte und ihre Perspektive bei der Schulnetzplanung gehört und berücksichtigt worden ist. Weitere Perspektive: Sie gibt eindeutig zu bedenken, dass Gemeinden im Umland zur Sicherung der eigenen Standorte, weil auch dort Schüler:innenzahlen rückläufig sein werden, inklusive Bedarfe selbst bedienen. Das würde bei uns Reduktion des Bedarfs bedeuten, nachdem wir für viel Geld einen großen Campus geschaffen haben, dieser dann verwaist. Zum Schluss möchten wir noch einmal unterstreichen, das uns das Thema Inklusion sehr am Herzen liegt und nicht nur ein kommunales Thema ist, sondern ein Landesthema, was dringend Landesmittel benötigt. Auch diesen Antrag werden wir in dieser Form nicht unterstützen.

BA-035/2024 Gymnasium / Oberschulen

Jetzt hätte ich fast gesagt, aller guten Dinge sind drei. Da wir bereits am Montag die Sitzung mit dem einen oder anderen Geschichtsexkurs bereichert wurde, möchte auch ich gern einen kleinen Beitrag leisten. Vielleicht erinnern sie sich noch an das Immanuel Kant Gymnasium. 2001 geschlossen. 2005 abgerissen. Oder das Gymnasium der Butterkekse, das Gottfried Wilhelm Leibniz Gymnasium. 2005 fusionierte es mit dem Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium und wurde 2007 abgerissen. Und das Schulnetz der Oberschulen und Gymnasien von Chemnitz wird weiterhin in einigen Stadtgebieten stetig ausgedünnt. Im Hinblick auf die Schulnetzplanung für die Oberschulen und Gymnasien gibt es ebenfalls viele Eventualitäten und offene Fragen, insbesondere mit Blick auf die rahmengebende Infrastruktur. Ich möchte hier wieder kurz ein paar Beispiele anführen:

1) Die Schüler:innenbeförderung von Kleinolbersdorf-Altenhain zum Gymnasium Einsiedel. Viele Kinder, die derzeit die Grundschule Kleinolbersdorf besuchen, werden in den kommenden Jahren auf das Gymnasium Einsiedel wechseln wollen, sofern ein Schulbus vorhanden ist, so Eltern aus dem besagten Stadtgebiet. Ohne den Schulbus wären sie gezwungen, auf andere Schulen auszuweichen, wodurch die Schülerzahlen am Gymnasium Einsiedel künstlich niedrig gehalten würden. Die Krux dabei: Ohne genügend Anmeldungen gäbe es laut Verwaltung keinen Schulbus.Wenn aber in Aussicht gestellt wird, das es eventuell keinen Schulbus gibt, bleiben die Anmeldezahlen aus. Der Schulbus, der das Fritz-Heckert-Gebiet an das Gymnasium angebunden hatte, ist bereits eingestellt worden. Eine weitere selbsterfüllende Prophezeiung.

2) Der Chemnitzer Norden. Ein großes Gebiet, mitunter mit ländlichem Charakter. Wenn Schüler:innen im Chemnitzer Norden, besonders in der Randlage, eine weiterführende Schule besuchen möchten, müssen sie fast bis ins Stadtzentrum reisen. Das bedeutet einen Schulweg von etwa 8 km. Der Besuch von Schulen in anderen benachbarten Bezirken ist auf Grund fehlender oder eingeschränkter ÖPNV-Verbindungen eine Zumutung und schier unmöglich.

3) Zur Ausgleichung der immensen Fehlbedarfe wird im vorliegenden Antrag lediglich auf die Gebäude in der Wielandstraße 4, die aktuell vom Berufsschulzentrum und in Teilen vom KaschMir Gymnasium genutzt werden, abgestellt. In 2027/2028 könnte der Standort freigezogen sein. Um ihn allerdings dauerhaft als Schulstandort betreiben zu können, bedürfe es Sanierungsmaßnahmen und eines Erbpachtvertrages oder eines Kaufes. Ob damit der Fehlbedarf in 2027/2028 von vier Zügen und in 2029/2030 von sogar zehn Zügen kompensiert werden kann, bleibt sehr fraglich. Im Kern der Planung werden die bestehenden zentrenartigen Schulstandorte gestärkt, von denen die meisten in städtischer Trägerschaft stadtzentrumsnah sind. Die jungen Menschen in den äußeren Stadtgebieten haben das Nachsehen. Die Hoffnung, dass die freien Schulen, bei denen in aller Regel ein Schulgeld gezahlt werden muss, den Fehlbedarf abpuffern, können wir ebenfalls nicht teilen. Im Gegenteil: Bildung soll niedrigschwellig und unabhängig vom Geldbeutel der Familien allen Kindern entsprechend ihrer Bedarfe zur Verfügung gestellt werden. Die vorliegende Planung hält zu wenige Antworten auf den, ich zitiere die Verwaltung, „enormen Fehlbedarf“ an Plätzen für Schüler:innen bereit, mit denen prognostisch ab 2027/2028 zu rechnen ist, so dass wir den Antrag nicht mit ruhigem Gewissen mittragen können und ebenfalls dagegen stimmen werden.