Aus dem Stadtrat vom 29. Januar: Öffnung der Schulsportfreianlagen
Dort wo Menschen aufeinandertreffen, treffen auch verschiedenste Bedürfnisse aufeinander: Die einen wünschen sich Einkaufszentren, die nächsten einen Park, andere möchte in einem Café entspannen, ihre Ziele mit dem Auto, zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen, wiederum anderen wollen Schwimmen, Skaten, Ballspielen oder ihrem Hund Auslauf gönnen. Doch der Platz in einer Stadt ist in aller Regel begrenzt. Auf freien Flächen werden Gebäude errichtet, Parks angelegt oder Straßen gebaut, die jeweils einen bestimmten Nutzungszweck erfüllen.
Um eine Stadt für verschiedenste Personengruppen attraktiv zu entwickeln, ist es sicherlich sinnvoll, das Stadtbild entsprechend der Bedürfnisse aller zu gestalten und eine flächengerechte Verteilung des öffentlichen Raums anzustreben.
Wenn jedoch viele freie Flächen bebaut sind, schwinden die Möglichkeiten der flexiblen Gestaltung. Mitunter treten Bedürfnisse in Konkurrenz.
Laut den Zwischenergebnissen der Sportentwicklungs-planung 2035, ist eines dieser Bedürfnisse der Chemnitzer:innen sich zu bewegen. Und das nicht nur in Form von Vereinssport, sondern selbstorganisiert und individuell.
Dabei stehen in Chemnitz gerade einmal knapp 9% der gesamten städtischen Fläche für Freizeit- und Sportanlagen zur Verfügung. Städte mit einer hohen Bewertung der Lebensqualität stellen dafür einen Anteil von bis zu 15% zur Verfügung. Flächen von Park- und Grünanlagen sind dabei noch nicht berücksichtigt.
So ist es auch nicht verwunderlich, wenn Spielplätze, die eigentlich für jüngere Kinder gedacht sind, von älteren belagert werden. Oder der öffentliche Wäscheplatz aus Mangel an frei zugänglichen Sportplätzen als Bolzplatz genutzt wird, was wiederum nicht bei allen Anwohner:innen auf Begeisterung stößt. Vor allem nicht bei den Besitzer:innen von weißer Wäsche. Gleichzeitig existiert vielleicht nebenan ein Fußballfeld einer Schule, was sich die jungen Menschen nur durch den Zaun anschauen können.
Die Beispiele zeigen, dass für die Vielzahl von Bedürfnissen bei einer gleichzeitig begrenzten Fläche einer Stadt kreative Lösungen notwendig sind. Ein Ansatz ist die erweiterte Nutzung von bereits bestehenden Orten: Hamburg, Lahr, Köln, Berlin, Potsdam, Leipzig, Dresden, Düsseldorf, Kiel, Essen (seit 1971), Bremen, Celle, Elmshorn, Münster, Frankfurt am Main, Pinneberg, Idstein, München (1993) und vermutlich noch viele weitere Kommunen machen es bereits vor. Dort gibt es – zum Teil seit mehr als 50 Jahren – gelebte Konzepte zur Öffnung von Schulhöfen und Schulsportfreianlagen für die allgemeine Bevölkerung in schulfreien Zeiten. Heute fiel hier schon der Begriff der Familien- bzw. Kinderfreundlichkeit und es wurde die Frage nach Steigerung der Attraktivität gestellt. Diese Maßnahme wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung und greift das Recht von Kindern auf Spiel auf, wie es in den Kinderrechten eindeutig formuliert ist.
Die Erfahrungsberichte, die Vielzahl an bereits bestehenden Konzepten und Lösungsansätzen stimmen positiv.
Trotz anfänglicher Skepsis berichten die Verantwortlichen, dass, wenn die Menschen vor Ort gut mitgenommen und eingebunden werden, Vandalismus und Müllberge ausbleiben und sich diese Plätze zu Orten der Begegnung entwickeln. Mit der Öffnung der Schulhöfe und Sportfreianlagen werden in einer dicht besiedelten Stadt für Kinder und Jugendliche damit nicht nur weitere wertvolle Spiel‑, Bewegungs- und Lernräume geschaffen, sondern ebenso ein Begegnungsort für Menschen des jeweiligen gesamten Stadtteils. So lässt sich die Lebensqualität innerhalb unserer Stadt mit vergleichsweise wenig Aufwand steigern.
Genau darauf zielt der gemeinsame Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen und unserer Fraktion ab. Wir möchten mit dem Pilotprojekt – also einem Testballon an ausgewählten, interessierten Schulen – Schulstandorte in Chemnitz identifizieren, die die beschriebene Öffnung ermöglichen und das dafür notwendige Konzept dort erproben.
Der Antrag wurde bereits im Schul- und Sportausschuss intensiv diskutiert. Die vorgebrachten Argumente wurden von uns aufmerksam aufgenommen. Ebenso haben wir positive Signale der Verwaltung zur Umsetzung vernommen.
Natürlich müssen bei diesem Vorhaben auch die schutzwürdigen Belange der Schule und der Anwohner:innen berücksichtigt werden. Die Schulhöfe und Sportfreianlagen dienen vorrangig dem Schulbetrieb. Jedoch sollen diese Räume auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Dafür braucht es ein Konzept, welches natürlich die Nutzungszeiten, Nutzungsarten, Haftungs- sowie Versicherungsfragen am jeweiligen Schulstandort regelt. Das Konzept gilt es dann im Weiteren zu erproben und mit allen Beteiligten nach einem angemessenen Zeitraum auszuwerten. Bereits 2020 wurde ein ähnlicher Antrag hier im Stadtrat beschlossen, jedoch letztlich nicht umgesetzt. Ich weise an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass es in unserem aktuellen Antrag nicht darum geht, Konzepte anderer Städte 1:1 Zu übernehmen, sondern als Anregung zu verstehen und an die Beispiele mit einer eigenen, an die Chemnitzer Gegebenheiten, angepassten Lösung anzuknüpfen. Der Ergänzungsantrag der CDU-Fraktion unterstützt dem Grunde nach unser Vorhaben. Im Interesse der Sache und in der Hoffnung, dass dieser zum Gelingen des Vorhabens beiträgt, werden wir den Ergänzungsantrag mittragen.
Übrigens: Dass so ein Vorhaben der Doppelnutzung von Orten und der friedlichen Co-Existenz verschiedener Bedürfnisse von der Idee bis zur Umsetzung in Chemnitz gelingen kann, hat jüngst das Engagement der Schüler:innen der Ernst-Busch-Schule gezeigt. Seit Dezember 2024 betreuen sie als Pat:innen eine Fläche in der Nähe ihrer Schule, die nun sowohl Bolzplatz als auch Hundewiese ist.
Lassen Sie uns diesem Beispiel folgen. Lassen Sie uns ein Zeichen für eine kinderfreundliche Stadt setzen und die Schulhöfe sowie Schulsportfreianlagen an schulfreien Tagen öffnen, um für die jungen Menschen in Chemnitz weitere freie Bewegungsräume und für andere Teile der Chemnitzer Bevölkerung Orte der Begegnung zu schaffen.